Karl zieht seine Ehefrau Zita bei. Sie überfliegt das Blatt und bricht dann los: „Niemals – du kannst nicht abdanken!” Zita ist dermaßen aufgebracht, dass sie Erklärungen gar nicht hört: „Niemals kann ein Herrscher abdanken. Er kann abgesetzt, kann seiner Herrscherrechte verlustig erklärt werden. Gut. Das ist Gewalt. Sie verpflichtet ihn nicht zur Anerkennung, dass er seine Rechte verloren habe. Er kann sie verfolgen, je nach Zeit und Umständen – aber abdanken – nie – nie – nie! Lieber falle ich mit dir hier, dann wird Otto kommen. Und wenn wir alle fallen – noch gibt es andere Habsburger!” … Tags darauf, am 11. November, tritt Karls letzter Ministerpräsident Lammasch zurück. Er wird in aller Form entlassen. Die Habsburger-Regentschaft ist damit zu Ende. Noch nicht ganz: Das Kabinett Lammasch ersucht um die üblichen Titel und Orden. Zu „Geheimen Räten” soll der Kaiser seine Minister ernennen und ihnen das „Großkreuz des Leopoldordens” verleihen. Kaiser Karl, der sich soeben von den Regierungsgeschäften zurückgezogen hat, enthebt, ernennt, verleiht. Dann verlässt er mit seiner Familie (Zita, Kronprinz Otto und den weiteren Kindern Adelheid, Robert, Felix und Carl-Ludwig) Schloss Schönbrunn. Er sollte es nie wieder sehen. Die Habsburger nehmen Quartier im Jagdschlösschen Eckartsau in den Donauauen. Am 12. November tritt der Großdeutsche Franz Dinghofer namens der Provisorischen Nationalversammlung auf die Rampe des Parlamentsgebäudes. Vor einer hunderttausend Köpfe zählenden Menschenmenge proklamiert er unter tumultartigen Umständen die „Republik Deutschösterreich”. Am 13. November erscheinen in Eckartsau Fürst Nikolaus Esterházy und Graf Emil Széchenyi und erzwingen eine ähnliche Verzichtserklärung für den ungarischen Teil der Monarchie. Der gekrönte König von Ungarn und Kroatien, Karl IV. (ungarisch „IV. Károly”, kroatisch „Karlo IV.”), ist damit Geschichte.
Gefunden in: Die Presse